Dekarbonisierung

Nach Analyse der Energiedichte im Versorgungsgebiet haben wir den Energiebedarf der Zukunft simuliert.

Der IBB-CEO Eugen Pfiffner und ich treffen uns zum Gespräch auf der Baustelle der Energiezentrale für den neuen Wärmeverbund Sommerhaldenstrasse in Brugg. Hier setzt die IBB eine der Massnahmen bei der Wärme- und Kälteversorgung um, damit das Unternehmen künftig CO2-neutral ist.

Eugen Pfiffner im Gespräch mit Felix

Im Video erhalten Sie einen Einblick ins Interview.

Änderungen im Bereich der Wärme- und Kälteversorgung.

Felix Kreidler: Bisher haben wir im Bereich Wärme Erdgas verkauft. Das ändert sich in den kommenden Jahren fundamental.

Eugen Pfiffner: Der Umbau der Wärmeversorgung ist für unsere Strategie zentral. Und neu ist, dass diese zu einer Wärme-Kälte-Versorgung umgewandelt wird. Kälte ist bei zunehmend wärmer werdenden Sommern bedeutend.

Felix Kreidler: Wir dachten schon vor zehn Jahren an Fernwärme, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen. Damals war das aber nicht wirtschaftlich. Wir blieben dran und liessen uns in der Folge von einem renommierten Ingenieurbüro weitere Entscheidungsgrundlagen erarbeiten.

Eugen Pfiffner: Den definitiven Entscheid trafen wir vor eineinhalb Jahren, und folgende Strategie wurde festgelegt: Die IBB dekarbonisiert mit erneuerbaren Energien.

Felix Kreidler: Wir analysierten zuvor riesige Datenmengen und erkannten, wo in unserem Versorgungsgebiet eine hohe Energiedichte herrscht. Zudem stellten wir diverse Simulationsrechnungen an, etwa wie hoch der Energiebedarf in unserem Versorgungsgebiet in einer kalten Winternacht 2030 und 2040 sein würde oder was auf die IBB an einem heissen Sommertag 2030 und 2040 zukommen wird.

Simulationsrechnungen ermittelten einen erheblich höheren Strombedarf

Eugen Pfiffner: Die Resultate der Simulationen verdeutlichten uns, welche und wie viel Energie die IBB in Zukunft als Versorgerin liefern muss.

Felix Kreidler: Überraschend war, dass wir in Zukunft mehr Strom brauchen werden. Für die Winternacht 2040 sogar die dreifache Energieleistung von heute.

Eugen Pfiffner: Das klingt im Moment für viele Leute noch abstrakt. Aber wir werden in einigen Jahren heftig darüber diskutieren, wie wir mit dem Stromüberschuss im Sommer und dem Mangel im Winter umgehen sollen. Wir werden auch über die massiven Preisunterschiede vom Sommer zum Winter reden müssen. Diese Herausforderungen verlangen nach neuem Denken bei der Stromversorgung. Ich bin überzeugt, dass wir keine zusätzliche Infrastruktur brauchen, sondern die bestehende viel intelligenter betreiben müssen.

Nutzung neuer Energiequellen in Energieachsen festgehalten

Felix Kreidler: Strom spielt beim Betrieb eines Fernwärmenetzes eine grosse Rolle. Unser Kundengebiet wird im Endausbau über zwei Achsen, eine Nord-Süd-Achse und eine Ost-West-Achse verfügen.

Eugen Pfiffner: Die Achsen basieren auf unseren Überlegungen, welche Energiequellen sinnvoll genutzt werden können.

Felix Kreidler: So stehen auf diesen Achsen mehrere Datencenter, die sehr viel Abwärme produzieren. Die Gespräche laufen bereits, damit wir diese als Wärmequelle nutzen können. Weitere Standbeine sind neben den neu entstehenden Fernwärme-Energiezentralen in Brugg und im Birrfeld das Grundwasser in Königsfelden sowie das gereinigte Abwasser der Kläranlage Wasserschloss, das ein erhebliches Energiepotenzial aufweist. Auch unsere Flüsse spielen in unseren Überlegungen als Wärmelieferanten eine Rolle. Diese Wärmequellen werden wir in die Energieachsen einbinden.

Eugen Pfiffner: Wichtig ist die Redundanz, das heisst, wir brauchen mehrere parallele Wärmequellen, um die Versorgung sicherzustellen. Dies ist unser langfristiger Auftrag.

Hohe Investitionen verlangen nach langfristigem Denken

Felix Kreidler: Ich halte viel davon, sich genügend Zeit für eine gute Strategie zu nehmen.

Eugen Pfiffner: Infrastrukturbauten sind stets langfristige Projekte, was Planung, Bau und vor allem Betrieb angeht. Der Zeithorizont beträgt hier immer Jahrzehnte. Ein eingeschlagener Kurs kann und soll deshalb auch nicht über Nacht korrigiert werden. In der heutigen Zeit können wir zwar nur für die nächsten fünf Jahre abschätzen, wie die Welt ausschaut. Aber wir können nicht einfach warten, bis das Bild für grössere Zeiträume scharf ist. Wir wollen vorangehen. Wir sind alles intelligente Menschen bei der IBB, die nach bestem Wissen und Gewissen den optimalen Weg festlegen.

Felix Kreidler: Das braucht auch Mut. Fernwärme verlangt nach hohen Anfangsinvestitionen. Man schreibt zu Beginn Verluste, es dauert, bis diese kompensiert sind. Finanziell muss man deshalb gut aufgestellt sein.

Eugen Pfiffner: Und das sind wir. Dazu kurz zur Struktur der IBB: Im Gegensatz zu einem grossen Stadtwerk, das meist nur die betreffende Stadt versorgt und schon allein deshalb über die notwendigen Finanzen verfügt, versorgen wir ein Städtchen und dazu eine grosse Region mit zahlreichen Gemeinden. Die IBB muss darum wie ein KMU auf eigenen Beinen stehen. Wir haben deshalb stets zielorientiert gewirtschaftet und bewusst für die anstehenden Herausforderungen Reserven geschaffen. Gleichzeitig müssen wir mit den benachbarten Werken Lösungen anstreben und sinnvolle Schnittstellen eruieren.

Offenheit für verschiedene Energieträger bewahren

Felix Kreidler: Was die Technologien betrifft, müssen wir offen und flexibel bleiben. Deutschland etwa forciert Wasserstoff als Energieträger. Da kann die Schweiz vielleicht mitgehen. Das Gasnetz haben wir, es bräuchte nur marginale Anpassungen. Wir beobachten und werden sich bietende Gelegenheiten packen.

Eugen Pfiffner: Es liegt ja auf der Hand: Soll in der Schweiz die gesamte Mobilität erneuerbar werden, wird das nicht allein mit Strom möglich sein.

Felix Kreidler: Die Schweiz ist technologisch in der Lage, im Spielfeld, das sich jetzt im Wettstreit verschiedener Energieträger auftut, gute Geschäftsmodelle zu entwickeln. Herunterskaliert sind wir von der IBB genauso offen, in vielversprechende Ideen zu investieren.

Eugen Pfiffner: Unser klarer Fokus liegt dabei immer auf der Versorgungssicherheit. Wir fänden es hilfreich, wenn auch von politischer Seite auf nationaler Ebene dieses Bekenntnis vorhanden wäre. Wird der Elektrizitätsmarkt zu sehr liberalisiert, wird es schwierig. Das sieht man in Deutschland und in England, wo der Staat letztlich wieder finanziell einspringen muss. Er muss Werke retten und den Leuten Pauschalen zahlen, damit sie sich die Energie leisten können. In der Schweiz war das System auch in diesen unruhigen Zeiten immer stabil.

Felix Kreidler: Kurz gesagt: Versorgungssicherheit bedeutet Solidarität – Marktliberalisierung hingegen Individualisierung und Gewinnmaximierung.

Dekarbonisierung bis im Jahr 2050

Eugen Pfiffner: Für den Klimaschutz ist die Versorgungssicherheit evident. In einem freien Markt würden die Leute ohne Rücksicht auf das Klima alles machen, um an Wärme zu kommen.

Felix Kreidler: Im Jahr 2050, so unser Bestreben, wird die IBB in ihrem Versorgungsgebiet dekarbonisiert sein. Es wird nur einzelne Industrien geben, die in der Produktion weiterhin Prozessgase verwenden werden. Allerdings werden wir erneuerbare Gase liefern können.

Eugen Pfiffner: Damit diese Transformation gesamthaft, aber auch in unserem Versorgungsgebiet gelingt, braucht es viel Teamwork. Zusammen können wir es schaffen.

Felix Kreidler: Wir sind voller Motivation. Die Schweiz hat die Kurve bisher immer gekriegt, auch wenn die Prozesse sehr langfädig sind. Und obschon die Schweiz international gesehen nur ein kleiner Player ist, kann sie doch Vorbildcharakter haben. Genauso kann die IBB in unserer Region eine Vorbildfunktion wahrnehmen.

Eugen Pfiffner: Wir arbeiten hart daran, der nächsten Generation etwas übergeben zu können, auf das wir stolz sein dürfen.